ALEXANDER A. GRONAU


Der im ungekannten Land

nach vier Richtungen Ausschreitende

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Ein Auszug der Erzählung

Aus seiner inneren Mitte, von der sein Atem wie ein Bachlauf hervorfloß, schritt er gen Süden. Schönheit war vor ihm, Schönheit war hinter ihm, Schönheit war um ihn her. Er durchwanderte in Schönheit die Schlucht, die wie ein Geburtsschoß geformt war, unentdeckt von beiden Armeen. Seinen Durst konnte er an verschiedentlichen, entdeckten Quellen stillen. Als Nahrung dienten ihm Beeren und Wurzeln. Der Wind umspielte ihn in der Schlucht, nahm seine Gedanken in sich und führte seine Schritte. Es gefiel ihm, sich in seinem Gehen immer wieder treiben zu lassen wie die Vögel von den Luftströmungen.

So erklomm er die Südseite der Schlucht; dabei entdeckte er einen Höhleneingang. Späterhin hielt er Ausschau in die Wüste, deren weitausgebreitete Fläche bis hinter den Horizont führte. Der Wind wirbelte dort draußen rußenden Sand auf. Ein Dorf brannte. Er nahm das Fernglas, konnte aber auch damit nicht klarer sehen. So suchte er mit besorgt zitternder Hand die Wüste nach Armee-Einheiten ab, und war erleichtert, keine ausfindig zu machen. Er war also an diesem fernen Ort, wo er offensichtlich von den Armeen beider kriegsführender Seiten unerkannt geblieben blieb, zumindest für die nächste Zeit in Sicherheit.

Der Einschlag vibrierte durch die Luft und traf ihn nach mehr als einer Stunde. Es löste ein unerträgliches Gefühl auf seiner Haut aus. Auch um sich davor zu bewahren, bettete er sich zur Nachtruhe in der Höhle, deren Inneres oval wie ein Bauch geformt war.

Nach der Morgendämmerung begann er Beeren zu pflücken und hielt wieder in der Wüste Ausschau. Im kreisrunden Ausschnitt seines Fernglases machte er einen Punkt in der Ferne aus, der sich der Schlucht zubewegte. Sein Atem toste durch seinen Brustkorb vor Erregtheit. Was mochte das bedeuten? Bald sah er das Beobachtete aufgebauscht wie ein Tuch, das der Wind bläht. Es konnte unmöglich ein Soldat sein. Dies beruhigte ihn wieder.

Die Sonnenscheibe stand auf der anderen, nördlichen Seite der Schlucht als er den wehenden Stoff, der sich noch immer auf ihn zubewegte und jetzt erkennbar einem verwandten, schlangenbespurten Weg folgte, den er selbst erst gegangen war, zweifelsfrei als die Tracht einer einheimischen Frau erkannte. Sie lief aufrecht; ihr Gehen wirkte stolz.

Als sie die Schlucht am Felsen erklomm und vom Schlangenweg abgewichen war, befing den Gestaltenwandler gleichzeitig mit einem besonderen, ihr voranwehenden Geruch, der safranartig war, die Ahnung, daß sie von ihm wußte und ihn also gezielt aufsuchte. Sie konnte nur auf einer mythischen Ebene des Seins von seinem Hiersein erfahren haben. Dies, und der Umstand, daß sie alleine kam, vermochte einzig ein gutes Zeichen zu sein. Also blieb er abwartend stehen, um sie zu empfangen.

Eine junge Pathan mit glänzendschwarzem Haar, das über ihrem zierlichen Rücken bis zum Boden herabfloß, kam zu ihm hinauf; ihr unverschleiertes Gesicht war offenherzig, auch wenn es entschlossene Züge auszeichneten, die ihr weibliches Wesen kämpferisch verschlossen hielten innerhalb der patriarchen Gesellschaft von der sie nach ihm ausschritt. Er wußte, daß sie aus dem Dorf seiner Einheit kam, das beherrscht gewesen war von der männlichen Autorität des Malik. Der Reichtum und das Prestige der Familien, die die Blutrache über Generationen kannten, waren darin die Grundlage von Macht. Das Erbe dieser Frau aber war älter als diese Kultur. Es war an ihrer Haltung und an ihrem außergewöhnlichen Handeln erkennbar.

Beide grüßten einander mit still zunickendem Blick und setzten sich auf Felsvorsprüngen gegenüber. Er bot ihr von seiner Hand gesammelte Beeren an. Es dämmerte, nachdem sie den Geist des Anderen über Stunden schweigend in dessen ruhigem Blick erforscht hatten. Sie deutete mit einem Finger durch den geöffneten Mund nach ihrer Kehle und der Gestaltenwandler führte sie zu einer Quelle.

Sie trank, und er hörte es gemeinsam mit ihrem Schlucken in der Art eines über bunte Kieselsteine strömenden Baches. Es gefiel ihm. Er schmunzelte. Sie erwiderte sein Lächeln als sie es um seinen Mund spielen sah wie einen leichtfüßigen Lauf.

Es begannen versprengte Tropfen auf sie niederzurieseln. Der Himmel war fruchtbar in dieser Nacht. In der Wüste war dies ein Geschenk, das sie beide teilten und das ihre trockene Haut erfrischte.

Sie betteten sich im Freien. Der Himmel war reich besternt. Er stimmte einen Feuergesang an, dessen Worte sie über die Schwingung seiner Kehle zu verstehen wußte. Als er verstummte, stimmte sie ein altes, von der Männerkaste über Jahrtausende verbotenes Lied an. Es hieß Lilith. Sie bezog ihre Abstammung auf jene einzig ob ihrer Freiheit verpönte Frau.

In der Nacht griffen weibliche Arme nach ihm aus, zogen ihn heran; Zungen liebkosten sich, die noch in verschiedenen Sprachen Wörter gebrauchten. Es setzte sich fort, daß sie zusammenfanden. Er beschlich ihre Perle und ihr fruchtbares Tal. Sie nahm ihn auf mit ihrem Schoß. Es war lebensbejahende Feuchte. -Der Gestaltenwandler begriff, daß er in den Süden gereist war, um mit dieser Frau ein Menschengeschlecht abseits der Gesellschaften des Krieges und des Besitzes zu begründen.

In den nächsten Monden brachten sie sich Worte bei, woraus eine gemeinsame Sprache hervorging, bestellten in Terrassen gelegte, kleinere Felder mit Quellwasser, erzählten sich die alten Mythen ihrer Völker. Sie waren sich gewiß darin, daß ein lautloser Ort, der von ihren Herzschlägen, Bewegungen, Atmungen, Worten und Liebkosungen erfüllt war, niemals von ihren Feinden aufzufinden wäre. Denn diese könnten ihn ob der ihm innewohnenden Stille niemals wahrnehmen, mieden und fürchteten ihn darum.



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"Der im ungekannten Land nach vier Richtungen Ausschreitende"

In Afghanistan spielende Anti-Kriegserzählung um einen US-Soldaten indianischer
Herkunft von Alexander A. Gronau verfaßt. Textlich erweiterte 2. Auflage.
Mit 4 farbigen Schriften, 6 teilweise farbigen Bildern und einer farbigen
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142 Seiten; 20,95 Eur.

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