Mein Zukunfts-Roman erzählt von der Bedeutung der Unversehrtheit unserer Welt, und gleichzeitig von deren Bedrohtheit. Ein grundsetzlicher Gedanke lautet: Wenn es keinen intakten Ort auf unserer Erde mehr gibt, wird es auch in uns Menschen keinen heilen Bereich mehr geben. In einer mehr oder minder beschädigten Welt zu leben, wie wir dies bereits tun, hat Auswirkungen auf den Zustand der Menschheit, ihres kollektiven Geistes. Dieser Zusammenhang zwischen eigener Innen- und vorherrschender Außenwelt wird aber von unserer Zivilisation nicht gekennt. Sie ist in mehr Bereichen blind, als sie es erahnt.Unsere Gesellschaft verweigert weitreichend die Konfrontation mit ihren Schattenthemen. Mein Roman aber tut dies und entwickelt daraus meines erachtens eine atemberaubend utopische Geschichte, die uns in unsere nahe Zukunft entführt und den Leser zugleich mythisches Denken und Weltempfinden als eine tiefpoetische Ebene der Wirklichkeit erleben lassen wird; wie dies mein Romanheld auf seiner Suche nach der Grünen Aue als einer seelischen Landschaft inmitten einer weitreichend zerstörten Welt erspürt. Und genau hier liegt die Dimension, die viele verstören wird. Mein Buch ist ein Roman, der sich tabulos mit unserer Realität auseinandersetzt und unsere Welt wieder remythologisiert.
Die Menschheit fährt mit ihrem ausbeuterischen Weltbild an die Klimakatastrophen-Wand, weil ihr Verhältnis Mensch-Natur, sprich Mensch-Erde nicht stimmt. Der Mensch hat einzig ein ausbeutendes Verhältnis zur Erde und ist fernab jeden sinnhaften Bezuges. Dies hat natürlich kulturgeschichtliche Gründe. Und diese speisen sich großteils aus den Prägungen des Monotheismus, der in all seinen Abspaltungen (egal ob Christentum oder Islam) gezielt alle naturbezogenen Religionen vernichtete. Die ersten christlichen Missionare fällten - begleitet von Armeen - die heiligen Weltenbäume der Kelten, Germanen und Slawen. Die ersten Päpste verboten den indigenen Menschen das Beten zu Bäumen, Quellen und Steinen unter Todesstrafe. So nimmt es kein Wunder, daß die Menschheit in Folge dessen nicht mehr fähig ist einen Bezug zur Erde als lebendigen Organismus, zur Natur an sich zu empfinden. Es ist ihr ausgetrieben worden. Dies kostet der Menschheit möglicherweise ihr Überleben auf diesen Planeten.
Daß die meisten Menschen heute die Erde als toten, auszubeutenden Menschenbesitz betrachten, ist ein verheerendes Erbe der monotheistischen Religionen. Die Menschheit wußte einmal die Erde als weiblichen, lebendigen Organismus, als die Göttin des Lebens zu betrachten. Und unser Planet ist tatsächlich soetwas wie eine lebengebärdende Eizelle im Kosmos, verletzlich und vom Menschen zu hüten. Als Poet habe ich in meinem Roman das tief gestörte Verhältnis des Menschen zur Welt als erster Dichter imaginär geheilt. Es ist das wichtigste Thema unserer Zeit, auch wenn dies wohl kaum begriffen wird, da dem heutigen Menschen die Unversehrtheit der Welt als Eigenwert komplett fremd ist. Er weiß nicht, daß der Aufruf "Macht euch die Erde Untertan!" der Auftakt der Zerstörung von allem war, und er weiß nicht, daß, wenn es in der Welt keinen einzigen vollständig heilen Ort mehr gibt - wie dies strenggenommen längstens der Fall ist - auch in der Psyche des Menschen kein heiler Ort mehr existent sein kann.
Es stimmt vieles mit dem Weltbild der Menschheit nicht. Die verheerenden Naturzerstörungen, die unzähligen Regime, die weltweite Massenarmut, sie haben kulturgeschichtliche Gründe, die nicht angegangen werden. Ich habe mich ihnen als Schriftsteller verschrieben, da es dem Dichter um das Seelische geht, auch wenn die meisten Menschen heute glauben, ein Schriftsteller sei ein banaler Unterhalter. Mein Roman ist ein Aufruf, das eigene Denken zu erweitern, aus den unreflektierten Grenzen unserer Kultur hinauszutreten. Das Weltbild, das zu unseren Problemen führte, wird diese nicht lösen können! Mein utopischer Roman bricht das bedrohlich eingefahrene Weltbild der Menschen auf, eröffnet es in andere Ebenen hinein. Dies hat Bedeutung, denn aus unseren Vorstellungswelten kreieren wir unsere Wirklichkeit. Je ärmlicher, naturabgespaltener unserer Vorstellungen sind, um so öder ist die Realität, in der wir als Menschen leben. Unverantwortlich destruktiv haben alle monotheistischen Religionen das Bild auf die Natur, die Erde und die Frau geprägt, die ihnen als unrein gelten und als schuldhaft an der erfundenen Erbsünde. Dies ist nicht mehr hinnehmbar.
Alle indigenen Völker verehrten die Naturkräfte, liebten die Erde als Göttin und begriffen die Frau als Lebensspenderin als heilig. Die Grüne Aue ist die fruchtbarste Landschaft der Erde, so wird sie in meinem Roman zerstörter Umwelt zur verheißungsvollen seelischen Landschaft. Den Kelten, Germanen und Slawen galt sie als der Schoß der Göttin, aus dem sich die Fruchtbarkeit der Welt speist. Doch gibt es überhaupt noch eine Grüne Aue?
Zu dem unterirdischen Synchrotring meines Romans, der die totale Technisierung der Welt - als eine Art Nachfahr des Nibelungenringes - vorantreibt, gibt es ein reales Vorbild, wenn jener auch nicht wie in meiner Geschichte den gesamten Erdball durchzieht. Er durchgründet bei Zürich dreißig Kilometer weit das Erdinnere und benötigt dabei ein halbes Prozent des schweizerischen Stromverbrauchs. Als ich an meiner Geschichte 2001 zu schreiben begann, war längstens ein viel größerer Synchrotring geplant, der sodann etwa einen Prozentsatz des Energieverbrauches der Erde für sich in Anspruch nehmen würde.
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Dieser mehrere Milliarden schwere Ring wurde im Spätherbst 2008 in Cern bei Genf fertiggestellt, trotz der Proteste einiger Wissenschaftler, die befürchten, daß durch seine enorme Energieerzeugung winzige Schwarze Löcher entstehen könnten, die im Verlauf von Jahren oder Jahrhunderten unsere Erde auffressen. Da die Betreiber dies für ähnlich unwahrscheinlich halten, wie daß in Japan in Folge eines Erdbebens mehrere Kernkraftwerke eine gigantische atomare Verseuchung auslösen könnten, - auch wenn niemand über genügend Wissen verfügt, um die Gefahr fundiert ausschließen zu können - , wurde der Ring zur Teilchenbeschleunigung in Gang gesetzt, und nach wenigen Wochen wegen schwerer Störfälle bereits wieder monatelang abgeschaltet. Man will in ihm tatsächlich einen Mini-Urknall erzeugen, und tut dies vermutlich bereits unter der nicht einschätzbaren Gefahr für unseren Planeten. In diesem Ring wird übrigens eine höhere Hitze erzeugt, als in jedem Kernkraftwerk. Wenn hier - wie in Japan - die Kühlung ausfällt, könnte er sich ähnlich durch die Erde brennen. Diese Fakten brachten mich auf meine Fiktion, eines die gesamte Welt durchziehenden Ringes. Er ist ein aussagestarkes Sinnbild für den fehlgehenden Technisierungswillen oder -wahn unserer Gegenwart, dem mitunter alles Leben geopfert wird.
Das Motiv des Ringes ist für diesen Zweck ohnedies besonders geeignet. Als ich in der germanischen Mythologie über die Bedeutung des Ringes las, in der es heißt, daß der Ring durch seine in sich selbst mündende, geschlossene Form zum Träger des Seelischen wie Stofflichen wird, da er beides binden kann, schloß sich das Bild meiner Geschichte. Der künstliche, unterirdische Ring hat demnach die Macht, die in ihm eingeschlossen kreisenden Naturkräfte umzulenken. Aus diesem Synchrotring speist sich in meinem Roman das die Erdoberfläche engmaschig überziehende Strom- und Maschinengestellnetz. Jeder menschliche Wille scheint darin bereits eingebunden, es gibt kaum noch eine davon unabhängige Existenz; selbst die Nomaden in der mongolischen Steppe sind in Form der “Glasbilder“ davon abhängig. All dies geschieht in meinem Roman vor dem Hintergrund einer Erde, die aufgrund der Klimakatastrophe an ihren dicht bevölkerten Küsten vermehrt unter Meeresfluten gerät.
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Meine Hauptfigur, die sich vor den verbrecherischen Banden des weltweit um Rohstoffe kriegführenden Hegemon auf der Flucht befindet, ist zu anfang der Geschichte noch ein sich selbst Fremder. Er soll darin ein Symbol für uns Europäer sein, die wir unsere kulturellen Ursprünge nicht kennen. Die Weltentfremdung kann aber durch das Auffinden einer Grünen Aue als eine seelische Landschaft aufgehoben werden, so vermittelt es ihm in einem stillgelegten Fabrikbegäude, in das er geflohen ist, ein älterer Weiser. So macht er sich als ein Verfolgter auf die weite, beschwerliche Suche nach diesem Grünen Land.
Photo: Eberhard Gronau |
In der unterirdisch inmitten einer Großstadt gelegenen Grotte stößt er späterhin auf eine außergewöhnliche, reichgelockte Frau, die ihm von der keltischen Legende des grünen Weges erzählt; diese in sich zu tragen, könne ihn an den ersehnten Ort führen. Doch seine Reise wird weit, und im Zustand der geistigen Verstörtheit und körperlichen Erschöpfung greift ihn in unmittelbarer Nähe zum ganze Landschaften auszehrenden Weltenring ein Bergvolk auf, deren Heilerin ihn in eine Art Tranceschlaf überführt, in dem er sich als ein keltischer Fiannakrieger und Geliebter der hochstirnigen Fürstin erfährt.
Einst hatte er die Sieben Quellen ihres Grünen Landes geschirmt, welche die fruchtbare Grüne Aue speisten. Ein Tempel war dort der Hort jener priesterinnengleichen Fürstin, die allen als Vertreterin der Göttin Alesia galt; als Zeichen ihrer Weisheit trug sie einen bronzenen Torques mit Rabenköpfen um ihren blaß-schlanken Hals. Er durchlebt noch einmal seinen vergeblichen Kampf das Grüne Land der Sieben Quellen - und damit den Schoß der Göttin wie den seiner Geliebten - gegen die einfallenden Römer zu hüten. Der Schmerz, schon einmal versagt zu haben, scheint ihn beim Erwachen zu überwältigen und wird doch Teil seiner Heilung sein. Zunächst aber geht die Odyssee weiter, vorbei am Aralsee, der als Kühlwasser für den Weltenring versickert, und in das reich bewaldete doch radioakiv verstrahlte Estland, wo er in einem geheimen Unterschlupf überraschend auf die Zwillingsschwester der reichgelockten Frau aus der Grotte der Elbestadt und auf Balthasars Sohn Balder stößt.
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Inspiriert wurde ich zu meinem Roman “Der Weltenring oder Die Suche nach dem grünen Land“ in seinen ersten Motiven durch einen Theaterbesuch. In der ersten Szene betrat ein Mann mit einem Koffer ein Zimmer, den er sogleich auf einen Tisch legte und sich davorsetzte. Ab da folgte ich der Aufführung weniger als den inneren Bildern, die mir abrupt kamen. In meiner Vorstellung sah ich einen abgehetzten Mann mit einem Koffer den kahlen Raum eines heruntergekommenen Mietshauses betreten, aus dem er erregt einen Spiegel hervorholte, um sich in diesem wie ein Fremder zu fixieren. Mir war klar, daß er sich vor jemandem auf der Flucht befand: Den Geheimdiensten einer verbrecherischen Weltregierung.
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